Habt ihr auch eine Bucketlist? Obwohl wir uns nach wie vor nicht sonderlich viel aus vorzeitiger Reiseplanung machen, haben wir dennoch bereits vor Antritt unserer Weltreise ein paar Highlights ausgemacht, die wir unbedingt sehen wollen. Neben dem Machu Picchu stand die Salar de Uyuni – die größte Salzwüste der Welt – ziemlich weit oben in der Südamerikaspalte unserer Bucketlist.
Auch hier fällt das Planen aus der Ferne schwer – zumal man dabei ordentlich draufzahlen muss. Also beschlossen wir wieder alles direkt Vorort zu organisieren. Vorort heißt in diesem Fall in Uyuni, einer kleinen Stadt die ursprünglich als Militärstandort gegründet wurde. Hier gibt es neben sandigen Straßen vor allem eines zu Hauf: Tour-Anbieter. Um dem unüberschaubaren Überangebot Herr zu werden, haben wir uns auf Tripadvisor gut zwei Dutzend Bewertungen unterschiedlichster Anbieter durchgelesen und uns schlussendlich relativ zeitnahe für einen entschieden. Streckenmäßig macht es so gut wie keinen Unterschied, für welchen Tour-Anbieter man sich entscheidet, da alle – mit Ausnahme von geringen Abweichungen – die gleichen Fixpunkte auf der Strecke ansteuern. Sehr wohl gibt es Unterschiede bei den Geländewagen, den Gruppengrößen und den Fahrern bzw. Guides.
Grundsätzlich werden neben Tagesausflügen vor allem Drei- und Vier-Tagestouren angeboten, die zusätzlich zum Transport auch die Unterkünfte und das Essen beinhalten. Neben der Standardvariante bei dem man am letzten Tag zum Ausgangspunkt nach Uyuni zurückkehrt, gibt es auch die von uns in Anspruch genommene Möglichkeit, direkt nach San Pedro de Atacama in Chile weiterzureisen.
Nachdem eine englischsprachig geführte Tour mehr als das Doppelte (!) gekostet hätte, haben wir uns für eine Tour mit einem ausschließlich spanischsprechenden Fahrer entschieden und für die Drei-Tagestour inkl. Thermoschlafsäcken und Busticket für die Weiterreise nach San Pedro de Atacama umgerechnet 95 Euro bezahlt.
Unsere Annahme, dass bei vier Mitreisenden im Auto schon irgendwer dem Spanischen UND Englischen mächtig sein wird, wurde bestätigt und so hatten wir auf der einen Seite eine Dolmetscherin und auf der anderen Seite um die 100 Euro pro Person gespart.
Schrottkarren & Multitalente
Allzu genau sollte man so manche Tripadvisor-Bewertungen jedoch nicht lesen, da punkto Geländewagen einige Horrorgeschichten herumgeistern. Der Mann, bei dem wir am Vortag der Tour spätabends unsere Tickets gekauft haben, wirkte etwas gestresst. Was jedoch nicht verwunderlich war, da er uns informierte, dass er gerade nebenan mit seinem Mechaniker am Tauschen des Auto-Motors ist und sie eine lange Nacht vor sich hätten. Er versicherte uns jedoch, dass die Tour pünktlich um halb 11 Uhr morgens starten werde (was natürlich nicht der Fall war).
Schon vorweggenommen sei der unumstrittene Umstand, dass die Fahrer ziemliche Multitalente sind. Neben der Navigation durchs Nirgendwo – es werden immerhin an die 1.000 Kilometer auf Großteils unbefestigten Straßen zurückgelegt – über die Rolle als Guide, der die Teilnehmer über die einzelnen Sehenswürdigkeiten informiert, bis hin zu der Rolle als Koch und Mechaniker. Mechaniker dürfte dabei wohl neben der Tätigkeit des Fahrens die wichtigste Rolle sein. Man bewegt sich stets fernab jeglicher Zivilisation auf unbefestigten Straßen quer durch Wüsten, über den Salzsee und Nationalparks. Wobei den Fahrzeugen einiges abverlangt wird und man des Öfteren liegengebliebene Geländewagen am Straßenrand ausmachen kann. Da regelmäßig 24 Stunden auf Pannenhilfe zu warten, wäre nicht nur wirtschaftlich unprofitabel, sondern bei – wie in unserem Fall – minus 14 Grad in der Nacht ziemlich nervenaufreibend.
Auf geht’s!
Nachdem am nächsten Tag unsere Rucksäcke in eine Plane gewickelt und am Dach unseres Toyota Patrol festgegurtet worden sind, ging es mit ungefähr einer Stunde Verspätung endlich los. Unser Fahrer war Bolivianer und direkt aus Uyuni. Neben Eva und mir waren außerdem noch Caro und Julian aus Deutschland, Laurent aus Frankreich und Ibtihel aus Tunesien mit an Board.
Cementerio de Trenes
Kaum losgefahren machten wir auch schon wieder Halt. Nur einen Katzensprung von Uyuni entfernt befindet sich der Cementerio de Trenes – zu Deutsch: Friedhof der Züge. Hier wurden ausrangierte Züge einfach in der Wüste abgestellt. Viele der Garnituren stammen aus den rosigen Zeiten Boliviens, als mit dem Abbau von Silber viel Geld gemacht wurde und sind demnach über 100 Jahre alt.
Bereits bei unserer Einreise mussten wir feststellen, dass Recycling in Bolivien ein Fremdwort ist, das bis heute keinen Einzug in die Landessprache gefunden hat. In Gegensatz zu den landesweiten, großflächigen Müllablagerungen von Plastik & Co. in Wäldern und Wüsten erfreut sich dieser vor sich hin rostende Abenteuerspielplatz jedoch wachsender Beliebtheit bei Fotografie-begeisterten Touristen.
Fahnenmeer in der Salzwüste
Nach einer halbstündigen Foto- und Klettersession ging es auch schon weiter zur eigentlichen Hauptattraktion: der Salar de Uyuni – der mit mehr als 10.000 Quadratkilometern größten Salzwüste der Welt. Die gängige und zugegebenermaßen auch naheliegende Annahme, dass es sich hierbei um einen ausgetrockneten Salzsee handelt, stimmt jedoch nicht, denn der bis zu 220 Meter tiefe See existiert noch immer, ist jedoch von einer bis zu 30 Meter dicken Salzschicht bedeckt.
Neben einem Denkmal, das an die Rallye Dakar im Jahre 2014 erinnert, bei der zum ersten Mal ein Etappenziel in Bolivien festgesetzt wurde, befindet sich ein Fahnenmeer der teilnehmenden Nationen.
Die Salar de Uyuni weist eine Länge von 140 Kilometer und eine Breite von 110 Kilometer auf. Am ehesten erinnert das an ein Computerspiel, wo sich die Welt am Ende einer Map ins Unendliche wiederholt, denn selbst als wir inmitten des Sees mit 100 km/h dahingebrettert sind, war außer Weiß und noch mehr Weiß nichts zu erkennen. Durch diese schier endlos erscheinende Weite ergibt sich die Möglichkeit durch geschicktes Positionieren von Menschen und Gegenständen surreal wirkende Fotos entstehen zu lassen.
Isla Incahuasi
Mitten im endlosen Weiß ragt plötzlich die Isla Incahuasi aus dem Salz, eine Insel die bis zum Rand mit Kakteen vollgepflastert ist. Entgegen meiner vorsichtigen Schätzung auf Instagram ragen die höchsten Exemplare keine 7 sondern ganze 12 Meter aus dem Boden und sind bis zu 1.200 Jahre alt. Auf einem Pfad, der sich den Weg zwischen den Kakteen hindurch bis zum Gipfel der Insel bahnt, konnten wir auch unser erstes Viscacha ausmachen, das auf einem Felsen liegend die letzten Sonnenstrahlen des Tages genoss.
Frostige Nächte jenseits der minus 10 Grad
Nach einem wunderschönen, aber windigen Sonnenuntergang bezogen wir unser erstes Nachtlager in der aus nur ein paar Häusern bestehenden Ortschaft San Juan. Bereits vorweggenommen sei, dass die zweite Nacht relativ ähnlich verlief und daher ebenso in diesem Absatz Einzug erhält.
Entgegen unseren zum Teil ebenso entlegenen Almhütten in Österreich fehlt es in den einfachen Behausungen im bolivianischen Nirgendwo vor allem an einem: einem Ofen. Durch die gänzlich unisolierten Wände, die ebenso wie die Betten, Tische und sonstigen Möbel rein aus Salz bestanden, glich die Innentemperatur – mit Ausnahme des eiskalten Windes – 1:1 der Außentemperatur. Das bedeutet schlafen in fast voller Montur im Thermoschlafsack und darüber noch drei Decken. So lassen sich auch Nächte bei -14°C überstehen. Einzig das Aufstehen am nächsten Tag kostet Überwindung – und zwar noch um einiges mehr als man sich das vorzustellen vermag. Dusche bzw. Warmwasser sucht man übrigens ebenso vergebens. Immerhin gibt es jedoch dank Dieselgenerator vorm Haus drei Stunden Strom pro Tag – genug um die Akkus von Kamera und Handy wieder aufzuladen.
Land der Lagunen
Am zweiten und dritten Tag bretterten wir durch sandige Wüsten und Gesteinslandschaften, die der Marsoberfläche aus Science-Fiction-Filmen ähnelt. In regelmäßigen Abständen hielten wir an unterschiedlichen Lagunen, die sich in erster Linie an der Farbe unterschieden: Laguna Capina, Laguna Colorada, Laguna Blanca, Laguna Verde und noch einigen anderen die kleiner ausfielen. Bei genauerem Hinsehen konnte man in einigen Lagunen Flamingos ausmachen, die sich von den in den Lagunen befindlichen Algen ernähren.
Sol de Mañana
Am letzten Tag stand frühmorgens das auf 4.850 Meter liegende Geysir-Feld am Programm. Auf engstem Raum findet man hier kochende Schlammlöcher, die einen unangenehmen schwefelhaltigen Geruch verbreiten und etliche Geysire die 90 bis 100 Grad heißes Wasser ausstoßen. Da wir bereits um 6 Uhr morgens hier waren, lag die Umgebungstemperatur noch jenseits der Null-Gradmarke, wodurch wir das Schauspiel besonders gut beobachten konnte.
Termas de Polques
Temperaturmäßiges Highlight der dreitägigen Tour waren die heißen Quellen Termas de Polques. Gegen 7 Uhr morgens sprangen wir ins 35 Grad heiße Wasser, um unsere tiefgefrorenen Knochen wieder aufzutauen. Richtig raus aus dem Wasser wollte jedoch keiner mehr, zumal die Umgebungstemperatur noch immer alles andere als angenehm war.
Adios Bolivien – Hola Chile!
Irgendwie haben wir uns dann doch aus dem Wasser gekämpft und nach einer weiteren Stunde Fahrtzeit erreichten wir die Grenze zu Chile – oder eher das offizielle Ende Boliviens: ein kleines Betonhäuschen mitten in der Wüste. Früher musste man sich seinen Ausreisestempel bereits in Uyuni abholen, da jedoch anscheinend viele Backpacker darauf vergessen haben, sah sich die bolivianische Regierung wohl dazu gezwungen, einen Grenzposten ins Nirgendwo hinzustellen. Nachdem wir unseren Ausreisestempel gegen Gebühr erhalten haben – was nicht sonderlich verwunderlich war, denn in Bolivien wird an allen Ecken und Enden ununterbrochen die Hand für alles Mögliche aufgehalten – ging es mit dem Bus weiter in die chilenische Wüstenstadt San Pedro de Atacama, wo wir 40 Kilometer später auch den Einreisestempel für Chile erhielten.
Alles in Allem eine überaus faszinierende Tour durch die menschenfeindliche, aber wunderschöne Landschaft Boliviens, die bei keinem Südamerikabesuch fehlen sollte.