Montag. Ein paar Minuten nach 5 Uhr morgens. Verschlafen und daher noch etwas träge schulterten wir unsere Rucksäcke aus dem Kofferraum des Uber-Fahrzeugs und betraten die Abflughalle von Sydneys Flughafen. Das kurzzeitige Gefühl der Erleichterung, dass wir es trotz des früh einsetzenden Morgenverkehrs rechtzeitig zum Flughafen geschafft haben, wich schlagartig der aufkommenden Erkenntnis, dass es mein Reisepass heute früh nicht aus dem Bett geschafft hat und noch immer gut versteckt unter der Matratze verweilt!

Reisepass = wichtig!

Es dauerte ein paar Augenblicke bis mir Eva Glauben schenkte. Ok, ich gebe zu: Reisepass oder Tickets vergessen ist ein Standard-Schmäh, den wohl jeder schon einmal zu hören bekommen hat. Doch während man Letztere problemlos Vorort nochmals zu Papier bringen kann, gibt es ohne Reisepass erstmal kein Weiterkommen. Damit wir nicht Gefahr laufen beide den Flug zu verpassen, trennten sich unsere Wege hier erstmal.

Kurzes Nachdenken – das als Resultat eigentlich einen flotten Lösungsweg liefern sollte – ließ erkennen, dass die Lage verstrickter nicht sein konnte: die Strecke quer durch Sydney, zurück ins Hostel – während sich der Frühverkehr zu verdichten beginnt – war die eine Sache. Kopfzerbrechen bereitete mir eher der Umstand, dass in Australien das Lohnniveau offensichtlich deutlich höher ausfällt als in Süd- und Mittelamerika und es daher so gut wie nirgends eine 24 Stunden durchgehend besetzte Rezeption gibt. Anstelle dessen gibt es Keycards, die wir jedoch aufgrund des frühen Checkouts in die dafür vorgesehene Box geworfen haben und sich diese Box wiederum im Inneren des Gebäudes befindet.

Challange accepted!

„Erstmal zurück zum Hostel“, dachte ich – auf dem Weg wird mir schon etwas einfallen. Also erneut ein Uber-Fahrzeug bestellt, eine gefühlte Ewigkeit gewartet und irgendwann festgestellt, dass sich das Auto nicht weiter nähert. Den Fahrer anrufen? Die Idee hatte ich auch, aber warum auch immer lies mich die App meine australische Nummer nicht aktivieren. Der Tag kann nur noch besser werden! Nach ein paar weiteren Minuten, beschloss ich, den Spieß umzudrehen. Mit vollem Gebäck ging es unter einem Schranken durch und über einen Zaun drüber – immer in die Richtung wo die App das Auto anzeigte. Der Fahrer hat mir später erklärt, dass die Taxifahrer bei der Regierung ein Uber-Verbot am Areal des Flughafens durchgebracht haben und sie deshalb außerhalb warten müssen.

Richtig Möglichkeit um zu überlegen hatte ich während der Fahrt übrigens nicht, da mir der Fahrer mehrfach erklärte, wie alles gegen mich arbeiten würde! Ganz so schlimm sah ich meine Situation zu diesem Zeitpunkt nicht mehr – ich hatte meinen Reisepass vergessen und würde den Flug nun wahrscheinlich verpassen, aber da gibt es bei weitem Schlimmeres!

Escape the room – Sydney Edition!

Beim Hostel angekommen ging es erstmal in den Vorraum! Das war zur Abwechslung einmal ein Einfaches, denn die vierstellige PIN – die zur Sicherheit auf allen Keycards vermerkt ist – hatte ich noch im Kopf. (Für eine zukünftige Advanced-Methode würde sich ein 12-stelliger Code anbieten, den dann garantiert einige nicht mehr im Kopf haben.)

Im Vorraum hing die Keycard-Box. Aufgrund der Überwachungskameras und mangels Brechstange musste es einen anderen Weg geben, um ins Zimmer zu gelangen. Bevor es jedoch in die Aufenthaltsbereiche und zu den Zimmern ging, gab es nochmals eine Tür – diesmal ohne Code aber mit Kartensensor.

Mir fiel ein, dass auf der Zimmerrechnung – die ich noch irgendwo im Rucksack hatte – eine Notrufnummer für die Nachtzeiten stand. Dem Night-Manager dürfte seine Freizeit jedoch heilig gewesen sein, denn nach ca. zehnmaligem Läuten wurde einfach zum Polizei-Notruf umgeleitet. Während ich dem netten Herrn an der anderen Leitung erklärte, dass ich einen Rezeptionisten und keinen Streifenwagen benötige, ging die innere Tür auf. Es war mittlerweile sechs Uhr vorbei und die ersten Hostelgäste machten sich auf in die Arbeit – ein Hoch auf Work & Travel!

Zuerst versuchte ich mein Glück direkt an der massiven Zimmertür. Kräftiges Rütteln, Anheben, Dagegenstemmen – keine Reaktion meines hölzernen Gegenübers.

Zurück in der Küche bewaffnete ich mich mit allem was ich tragen konnte und hastete wieder nach unten zur Keycard-Box. Kaum die Tür verkeilt, damit ich zumindest wieder nach Oben konnte, probierte ich vom Kochlöffel bis zum langen Brotmesser sämtliche in Frage kommenden Gegenstände aus, um irgendwie zu den Keycards in der Box vordringen zu können. Die vorläufige Kapitulation folgte bald, denn ich brauchte etwas Flexibleres.

Wieder im Aufenthaltsbereich angekommen, durchsuchte ich meinen Rucksack und stieß auf das bereits in Vergessenheit geratene Tixo, welches ich in Bolivien einem Straßenverkäufer abgekauft hatte. Damit klebte ich ein paar Dollarmünzen zusammen und umwickelte sie schließlich mit der klebrigen Seite nach außen!  JACKPOT – damit kam ich nach ca. fünfmaligen Einwerfen an eine unserer Karten!

Finale!

Dann ging alles sehr schnell. Der Fahrer hat mich zuvor darauf aufmerksam gemacht, dass ab sechs Uhr die Rush-Hour in Sydney beginnt und ich – falls ich nicht mindestens eine halbe Stunde im Stau stehen möchte – auf die öffentlichen Verkehrsmittel ausweichen sollte. Gesagt, getan! Eva hat mir in der Zwischenzeit geschrieben, dass sie gleich ins Flugzeug steigt, sie aber mit den Airline-Mitarbeitern gesprochen hat und ich, falls ich es vor sieben Uhr zum Serviceschalter schaffen würde, günstig Umbuchen könnte. Das ginge jedoch nur persönlich und nur bis exakt zu dem Zeitpunkt an dem der ursprünglich gebuchte Abflug angesetzt ist – in unserem Fall eben 7 Uhr.

In der Eile kam ich nicht mehr dazu meine Metro-Karte aufzuladen und bemerkte zu meiner Freude, dass man sein Konto überziehen kann. Mit elf Dollar Schulden erreichte ich zwei Minuten vor Sieben den Serviceschalter am Flughafen und konnte noch relativ kostengünstig auf den nächsten Flug eine knappe Stunde später umbuchen, ohne einen neuen bezahlen zu müssen.

Was für ein stressiger Montagmorgen!

P.S. Sydney, falls ich dich mal wieder beehre, lade ich meine Metro-Karte wieder auf – versprochen!