Abschließende Anmerkung des letzten Blogbeitrages: unser Bus ist bei der Überschreitung des Titicaca-Sees nicht versenkt worden und hat uns zwar sehr durchgeschüttelt aber immerhin unbeschadet nach La Paz gebracht.

La Paz ist mit seinen 750.000  Einwohnern entgegen der gängigen Annahme nicht die Hauptstadt Boliviens, diese Ehre gebührt der Stadt Sucre, die gerade einmal 230.000 Einwohner aufweist. La Paz stellt jedoch den Regierungssitz Boliviens dar. Mit einer Höhe von 3.200 bis 4.100m (inkl. dem mittlerweile eigenständigen El Alto) ist La Paz sogar der höchstgelegene Regierungssitz der Erde. Das wichtigste zuerst: aufgrund der ungünstigen topografischen Lage werden Seilbahnen der österreichischen Firma Doppelmayr als öffentliches Verkehrsmittel eingesetzt.

Auch hier schlossen wir uns einer City-Walking-Tour an. Rasch stellte sich heraus, dass La Paz nicht mit Sehenswürdigkeiten gesegnet worden ist: eine Kirche hier, ein Park da – aber nichts sonderlich Aufregendes. Mangels Sehenswürdigkeiten bekamen wir in erster Linie eine Führung durch die Geschichte Boliviens: von korrupten und herrschsüchtigen Präsidenten, die aufgrund der manipulierbaren Bevölkerung leichtes Spiel hatten, über einen brutalen Krieg zwischen Polizei und Militär, bis hin zu einer Einführung punkto Aberglaube und die damit verbunden bizarren Rituale, die auch heute noch praktiziert werden.

La Paz oder Hogwarts?

Wer beim Horoskop schon den Kopf schüttelt, wird Bolivien in dieser Hinsicht ziemlich amüsant finden. So bekommt man in den Hexenmärkten in La Paz getrocknete Lamaföten zu kaufen, welche anschließend gemeinsam mit Kräutern, Lama-Wolle und Ähnlichem, in einem feurigen Ritual Mutter-Erde geopfert werden, umso Liebe, Geld, Gesundheit oder an was auch immer es einem gerade fehlt zu erhalten.

Ein anderes Ritual, das bei uns die Kinnladen ziemlich weit hinunterfallen hat lassen, sah in der Vergangenheit vor, dass beim Bau neuer Gebäude, menschliche Opfer bei lebendigen Leibe in das Fundament eingemauert worden sind, um – ihr ahnt es schon – Mutter-Erde gut zu stimmen. Laut Tour-Guide wurden hierzu in erster Linie obdachlose Alkoholiker bis zur Bewusstlosigkeit abgefüllt, da hier die Chancen am geringsten waren, dass diese Menschen von jemandem vermisst werden würden. Der Tour-Guide versicherte, dass in La Paz derartige Rituale heute nicht mehr praktiziert werden, es jedoch außer Orts – in streng abergläubischen Dörfern fernab von jeglicher polizeilichen Präsenz – noch ab und an vorkäme. Kann man glauben, muss (oder eher will) man aber nicht.

Eine Stadt in der Stadt: das Gefängnis San Pedro

Ziemlich fasziniert hat mich auch das inmitten der Stadt liegende Gefängnis San Pedro. Es wurde einst für rund 250 Häftlinge gebaut, derzeit sitzen jedoch um die 2.000 Männer hier ein – vorrangig wegen Mordes und Drogenvergehen. Entgegen europäischen Gefängnissen werden die Insassen komplett ihrer selbst überlassen. Für die 2.000 Gefangenen gibt es in Summe sechs Wärter, die jedoch nur am Eingang postiert sind und schon lange keinen Fuß mehr in das maßlos überfüllte Gefängnisareal setzen. So hat sich eine Gefängnisstadt entwickelt, mit Marktständen, Restaurants, Frisörsalons, Arztpraxen und vielem mehr. Es gibt es eine strenge Hierarchie und das Gelände ist in verschiedene Sektionen unterteilt. Geld regiert auch hier die Welt – in diesem Fall sind es US-Dollar. Je nachdem ob man Geld hat oder nicht, kann man sich eine Zelle mit mehreren Räumen, Computer, Fernseher, Internet & Co. mieten oder muss in einem armen Viertel mit den anderen Insassen im Dreck schlafen. Besonders skurril ist auch der Umstand, dass es in den gut betuchten Vierteln – in denen vorrangig reiche Drogenbosse einsitzen – eigene Eingänge gibt, wo neben Familienangehörigen und Prosituierten auch andere nützliche Gegenstände den Weg hinter die Gefängnismauern finden – und auch wieder hinaus, denn innerhalb des Gefängnisses gibt es ein großes Kokainlabor, in denen der Großteil der Insassen arbeitet um sich Geld für Nahrung, Kleidung und sonstiges zu verdienen.

Klingt alles komplett unwirklich? Das hat es für uns auch! Jedoch war es bis vor ein paar Jahren sogar möglich, für ein paar Euro geführte Touren durch das Gefängnis zu machen und somit finden sich im Internet haufenweise Berichte – teilweise mitsamt Bildern – die mehr über das Innere dieser Gefängnisstadt Preis geben.

Und es gibt sogar ein Buch über dieses Gefängnis: der 24-jährige, Jura-Absolvent Rusty Young aus Australien, bestach 2004 die Wachen und lies sich für drei Monate freiwillig inhaftieren, um die Geschehnisse innerhalb der Gefängnismauern zu dokumentieren. Es hat bereits den Weg auf meinen Kindle gefunden, sobald ich es gelesen habe, gibts hier ein Update. Für Interessierte gibts hier den Link zum Buch.

Geld regiert Bolivien!

Abschließend hat uns unser Tour-Guide noch den Tipp mit auf den Weg gegeben, mit Drogen äußerst vorsichtig zu sein. Bolivien hat eines der mit Abstand schärfsten Drogengesetze der Welt. So wurden vor ein paar Jahren im Loki-Hostel, nach dem Geruch von Cannabis, die Bewohner eines gesamten Stockwerkes verhaftet. Wie im Anschluss die Schuldigen ermittelt wurden? Richtig, mit der Landeswährung: Bolivianos.

Für mich schon ziemlich erschreckend, wie eines der ärmsten Länder Südamerikas, von Bestechung und Korruption regiert wird. Aus diesem Grund wollten wir nach drei Tagen auch einfach nur mehr raus, raus aus La Paz und ab nach Sucre, dem in Bezug auf La Paz ein positiver Kontrast von 100 zu 1 nachgesagt wird.

Gestrandet in der Großstadt!

Aus unserer 12-stündigen Nachtbusfahrt wurde jedoch nichts, da man uns 10 Minuten vor Abfahrt – und erst auf Nachfrage – informiert hat, dass alle Straßen raus aus La Paz blockiert seien. Nach ein wenig Recherche und auf Nachfrage bei Einheimischen nichts Ungewöhnliches. Es sei mit Abstand die einzige Möglichkeit sich bei der Regierung Gehör zu verschaffen. Neben Menschen mit körperlichen Behinderungen, die für eine höhere Invaliditätsrente auf den Straßen campierten, waren es noch die „Truck-Driver“ die vermutlich ein ähnliches Anliegen punkto Bezahlung hatten.

Also wieder zurück ins Hostel, wo uns die Mitarbeiter erklärten, dass keiner so recht weiß wie lange der Streik und die damit verbunden Straßenblockaden bestehen würden, da in Bolivien derartige Demonstrationen relativ häufig vorkommen und sich von ein paar Tagen bis zu mehreren Wochen ziehen können. Ein Hostel-Mitarbeiter meinte, er hätte da einen Bekannten, der spezialisiert auf derartige Situationen ist, der könnte uns aus der Stadt rausschaffen. Im Kopf schon vorab dankend abgelehnt, hieß es nach einem kurzen Telefonat mit dem vermeintlichen Spezialisten auch „Sorry, leider kein Durchkommen möglich – alles dicht!“.

So returnierten wir die Bustickets – ein Vorgang der Abwechslung einmal unkompliziert und ohne viel Diskussion über die Bühne ging. Für die 12-stündige Busfahrt wären umgerechnet um die 25 Euro pro Person fällig gewesen, diese steckten wir nun in Flugtickets, die einzige Möglichkeit um aus der Stadt rauszukommen. Und so buchten wir unsere bis dato kurzfristigsten Flugtickets und das noch dazu nicht wie normal üblich im Internet sondern in einem Reisebüro. Es war bereits nach 20 Uhr und der erste Flug ging am nächsten Tag um 9 Uhr morgens – Ticketpreis 46 Euro, die Welt war wieder in Ordnung!

Sucre

Der 50-minütige Flug verlief ruhig und war – nicht nur mangels Alternative – die paar Euro mehr auf jeden Fall wert, zumal die Straßen in Bolivien laut diversen Backpackerschilderungen die mit Abstand Schlechtesten in ganz Südamerika sein sollen.

Sucre selbst ist eine schöne Stadt (zudem Haupt- und Studentenstadt) und jedenfalls einen Besuch wert. Zwar sucht man mit Ausnahme von ein paar Klöstern, dem Friedhof und dem Park am Hauptplatz auch hier relativ vergebens nach Sehenswürdigkeiten, jedoch wirkt die Stadt bei weitem freundlicher, ruhiger und offener. Unzählige Restaurants in denen gutes Essen aufgetischt wird, erstaunlich viele Schokoladenläden die Süßigkeiten in allen Variationen anbieten und Sprachschulen an nahezu allen Ecken und Enden.

Nach drei Tagen wollten wir mit dem Bus weiter nach Uyuni – doch auch hier in Sucre wurde von denselben Parteien kräftig demonstriert und die Straßen aus der Stadt hinaus blockiert. Anders als in La Paz machte uns jedoch eine Zwangsverlängerung in Sucre herzlich wenig aus. Mittlerweile sind die Wogen geglättet und wir haben es in die Wüstenstadt Uyuni geschafft, von wo wir morgen eine dreitägige Tour durch die Salzwüste mit anschließendem Ende an der Grenze zu Chile starten werden.